Aktuell

1.2.2019 | VERSICHERUNGSRECHT

Obliegenheitsverletzung / Leistungskürzung auf Null

von RA Ronald Linke, Fachanwalt für Versicherungsrecht

Das Landgericht Erfurt (Az. 8 O 345/18) hat die Klage eines Versicherungsnehmers einer Wohngebäudeversicherung wegen grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung in voller Höhe abgewiesen.

Gegenstand des Rechtsstreits war ein Gebäudeversicherungsvertrag unter Einschluss von Leitungswasserschäden. Der Versicherungsnehmer hat vorgetragen, dass es in der Zeit zwischen Weihnachten und Sylvester 2016 zu einem Heizungsausfall in einem Mehrfamilienhaus kam, aufgrund dessen damit gerechnet werden musste, dass das Rohrleitungssystem des gesamten Hauses einfriere, wodurch weitergehende Schäden am gesamten Mehrfamilienhaus drohen. Vor diesem Hintergrund hatte sich der Versicherungsnehmer entschieden, nicht etwa eine Notreparatur des Heizkessels vornehmen zu lassen und/oder eine Notbeheizung mit einem elektrischen Heizaggregat sicherzustellen, sondern er veranlasste, dass sämtliche Installationen des Heizraumes ausgebaut und durch eine neue Heizungsanlage ersetzt werden. Die ausgebauten Altkomponenten wurden sogleich entsorgt. Nach Ausführung dieser Arbeiten richtete der Versicherungsnehmer eine Schadenanzeige an den Versicherer; im weiteren Verlauf machte der Versicherungsnehmer die gesamten Installationskosten für die neue Heizungsanlage bei dem Versicherer geltend.

Der von unserer Sozietät vertretene Versicherer konnte aufgrund des Geschehensablaufs nur noch feststellen, dass im Heizraum des Mehrfamilienhauses eine neue Heizungsanlage verbaut ist. Ob die alte Heizungsanlage tatsächlich ausgefallen war und bejahendenfalls, warum sie ausgefallen ist, war nicht mehr feststellbar. Mit Hinblick darauf, dass der Gebäudeversicherungsvertrag u.a. die Obliegenheit regelte, dass der Schadenort grundsätzlich unverändert zu lassen und ausgebaute Teile nicht zu entsorgen sind, bevor eine Freigabe des Versicherers vorliegt, hat der Versicherer die Deckung für den Schadenfall verweigert.

Das von dem Versicherungsnehmer angerufene Landgericht Erfurt ist unserer Argumentation gefolgt und hat das Vorgehen des Versicherungsnehmers als grob fahrlässig begangene Obliegenheitsverletzung bewertet, die sich im Grenzbereich zur vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung bewegt, weshalb ausnahmsweise auch bei einer (nur) grob fahrlässig begangenen Obliegenheitsverletzung eine Leistungskürzung auf Null gerechtfertigt ist. Die Klage wurde abgewiesen; der Versicherungsnehmer hat hiergegen kein Rechtsmittel ergriffen.

 

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